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Norbert A. Peiker
Norbert Alfred Peiker, geboren am 1940 in Wertheim am Main, ist ein in Augsburg und Umgebung aufgewachsener Architekt. 1969 ergriff er die Möglichkeit, seinen Beruf in den Vereinigten Staaten von Amerika auszuüben, als er ein Stellenangebot von „Marr Knapp Crawfis Architects“ in Ohio erhielt. Dieses Angebot hatte er mit Interesse und Freude angenommen.
Leben in Deutschland
Als Norbert Peiker als dreieinhalbjähriger Junge wenige Tage nach der Bombennacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 die Verwüstungen in Augsburg sah, teilte er schon damals seinen Eltern Berta und Herbert Peiker mit, dass er „beim Wiederaufbau mithelfen werde“. Dieses als Kind abgegebene Versprechen sollte später Wirklichkeit werden.
Peiker wurde als Ältester von sechs Geschwistern im Jahr 1940 geboren. Zwei seiner Brüder sind in Augsburg bekannt; zum einen der Schauspieler Eberhard Peiker (Fernsehproduktionen wie z.B. die Kindersendung Rappelkiste sowie Bühnenvorstellungen im Münchner Theater der Jugend, im Staatstheater Saarbrücken, in den Stadttheatern Augsburg und Würzburg sowie im Tiroler Landestheater in Innsbruck) und zum anderen der Kunstmaler Hermenegild Peiker (Maler der Rekonstruktionen Wandfresken im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses und des Deckenfreskos in der Michaelskirche im Katholischen Friedhof an der Hermannstraße in Augsburg).
Schon in der Nachkriegszeit, als sich der öffentliche Fokus auf die Bautätigkeit, den Wiederaufbau und die Erstellung von Wohnraum für Geflüchtete richtete, arbeitete Peiker als vierzehnjähriger regelmäßig während der Schulferien auf den Baustellen der Martinsbauhütte und mischte den Mörtel für die Maurer.
Der Wunsch seiner Eltern war, dass ihr Erstgeborener Priester werden sollte. Nach den Grundschuljahren in der Hallschule besuchte Peiker deshalb das Gymnasium bei St. Stephan. Nach drei Jahren verließ er dieses frühzeitig und teilte seinen Eltern mit, er habe genug Latein und Griechisch gelernt. Es wäre nun höchste Zeit, sich auf ein Studium am Rudolf-Diesel-Polytechnikum vorzubereiten.
In der Hochzoller Baufirma Sebastian Klaus wurde ihm daraufhin vorgeschlagen, anstelle des vorgesehenen zweijährigen Praktikums eine dreijährige Lehre zu absolvieren. Diese schloss Peiker mit der Gesellenprüfung erfolgreich ab und der ihm damals überreichte Zinnbecher mit der Gravur „Dem Jahresbesten 1960 – Handwerkskammer Augsburg“ wurde ein Familienerbstück.
Norbert Peiker begann mit dem Hochbaustudium im Jahr 1960. Dabei richtete er seinen Fokus auf die Fächer Entwurf, Architektur und Mathematik. Während seines Studiums engagierte er sich als Sozialreferent im Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) und fungierte in dieser Funktion auch als Redner an Tagungen des Studentenverbands Deutscher Ingenieure (SVI) und des Studentenverbands Bayerischer Ingenieure (SBI). Zudem vertrat er die Studenten im Ausschuss für die Verteilung von Stipendien. Als Mitglied der Burschenschaft „Rheno Palatia“ diente er als Fuchsmajor in der Studentenverbindung. Peiker graduierte im Juli 1964 als Hochbauingenieur.
Er arbeitete im Architekturbüro von Host Sterz in Goeggingen von Januar 1962 (zunächst studienbegleitend) bis Ende Oktober 1969. Am 06. November 1968 wurde er in die Architektenliste der Regierung von Schwaben eingetragen.
Leben in den Vereinigten Staaten von Amerika
Als Deutscher Auswanderer zog Norbert Peiker mit seiner Familie am 04. November 1969 nach Mansfield, Ohio, um eine Stelle als Entwurfsarchitekt beim 1924 gegründeten Architekturbüro Marr Knapp Crawfis anzutreten. Sein Förderer für den Erhalt des Einwanderungsvisums war hierbei Architekt D. James Crawfis, AIA (American Institute of Architects).
Peikers erstes großes Projekt war der Staatsauftrag für den Entwurf des „Mohican Lodge und Konferenzcenters“ mit 96 Hotelzimmern. Der Auftrag umfasste auch das Projektmanagement. Die Arbeit erfolgte noch unter der Architektenlizenz von D. James Crawfis, AIA.
1973, bereits drei Jahre später, bestand Norbert Peiker mit Erfolg die erforderlichen viertägigen Prüfungen zur Erlangung der eigenen Architektenlizenz Nr. 5184 für den Staat Ohio. National Council of Architectural Registration Boards (NCARB) Eintragung Nr. 18517 mit Zertifikat Nr. 14858 und Lizenzen für weitere Staaten folgten.
Im Jahr 1980 stieg Peiker zum „Principal Architect“, also zum verantwortlich leitenden Architekten des Mansfield Büros auf. Der Firmenname hatte sich in „MKC Associates Inc.“ geändert. Zudem wurde er Mitglied des Aufsichtsrats und war verantwortlich für die Projektentwürfe, die Werkplanung und das Kostenmanagement.
Von 1980 bis 1988 lehrte Peiker in Abendkursen und an Samstagen Erstsemesterklassen in „Engineering Graphics“ (technisches Zeichnen, welches zudem die räumliche Geometrie, visuelle Infinitesimalrechnung und empirische Gleichungen umfasst) im Auftrag der Ohio State University am dortigen „College of Engineering“. Sein Lehrauftrag endete, als er die Leitung von MKC Associates als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzenden übernahm. In dieser Funktion war er verantwortlich für alle Firmentransaktionen und die Firmenerweiterung auf drei Standorte, an denen zu Spitzenzeiten bis zu 92 Mitarbeiter beschäftigt waren. Er bot zudem neun Austauschstudenten aus Deutschland Praktikumsplätze an. Drei dieser Praktikanten kamen von der Fachhochschule Augsburg (Michael Schornack, Vitus Hussek und Christian Peiker), welche aus dem Rudoph-Diesel-Polytechnikum zwischenzeitlich hervorgegangen war.
Im August 1996 wurde bei Norbert Peiker bei der jährlichen medizinischen Untersuchung Krebs im dritten Stadium diagnostiziert. Aus diesem Grund plante er daraufhin für Mitte 2002 den Führungswechsel bei MKC Associates, übertrug das Präsidentenamt an seinen jüngeren Kollegen Alvin J. Berger, P.E., behielt dabei aber weiterhin sein Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrats bis zu seinem geplanten Ruhestand zum Jahresende 2003. Damit endeten für ihn 34 erfolgreiche Jahre mit MKC Associates. Seine medizinischen Experten gaben ihm die klare Botschaft mit auf den Weg: „Lass Gott und Doktoren den Krebs behandeln, das Stressmanagement liegt jedoch in deiner eigenen Verantwortung!“
Schon vier Wochen später wurde jedoch von Peiker mit Genehmigung des MKC Aufsichtsrats das Unternehmen „Architecture by Norbert Peiker, LLC“ gegründet, um einen Geschäftsfreund und früheren Auftraggeber bei der Projektentwicklung zu beraten. Peiker nutzte seine Expertise für Beratungen zu Baulandentwicklungen für Industrieanlagen, für Baugutachten bei Sanierungsobjekten und für die Zusammenstellung von Expertenteams zur strategischen Beurteilung zukünftiger Bauinvestitionen.
Ein Beispiel für Peikers Beratungstätigkeit ist das Zusammenstellen eines Planungsteams für die Sanierung des 47-geschossigen LeVeque-Towers, welcher 1927 errichtet wurde und als historisches Wahrzeichen von Ohios Hauptstadt Columbus gilt. Auf Grundlage seiner Baugutachten, der statischen Analysen, seiner Sanierungsplanung sowie von Umfrageergebnissen erwarb Peikers Auftraggeber „Tower 10“ und führte eine Generalsanierung durch mit Schooley Caldwell als die leitende Architektur-Firma.
Im Alter von 74 Jahren und mit der Krebsdiagnose im vierten Stadium hatte Norbert Peiker nun erneut seinen Ruhestand geplant. Dieser wurde jedoch ein weiteres Mal unterbrochen, als im Bauamt der Stadt Columbus mit seinen 160 Mitarbeitern kurzfristig ein Architekt oder Ingenieur als Planprüfer gesucht wurde. Ausgeschrieben war ein befristeter Vertrag über maximal 480 Arbeitsstunden. Die Wahl fiel auf Peiker, dem Architekten mit über 50 Jahren Berufserfahrung. Aus den geplanten 480 Arbeitsstunden wurde eine Anstellung für acht weitere Jahre. Der Krebskranke, inzwischen auch körperlich eingeschränkte Architekt wurde als „Ikone des Bauamts“ gesehen – er arbeitete, diente und lehrte mit bestem Beispiel. Mit über 82 Jahren trat der schließlich endgültig in den wohlverdienten Ruhestand.
Ende 2019 wurde eine Film über Norbert A. Peiker gedreht, welcher am 05. Februar 2020 mit dem Titel „Living with Purpose: The Norbert Peiker Story“ seine Premiere feierte. (Referenz: Webliks).
Projekte – Vier Beispiele
Eröffnung 1974: Mohican Lodge und Konferenz Zentrum mit 96 Hotelzimmern, Ashland County. Auftraggeber: State of Ohio, Department of Natural Resources. Entwurf von Norbert A. Peiker unter der Architekten-Lizenz von D. James Crawfis, AIA. (Foto Kredit: Originale Bilder von Norbert A. Peiker. Luftbild – Fair Use Image – Kredit: Ohio Department of Natural Resources)
Eröffnung 1995: Health Sciences Zentrum, Mansfield, Ohio. Auftraggeber: North-Central State College, State of Ohio. Architect-of-Record: Norbert A. Peiker, AIA, Konsultant Lorenz & Williams von Dayton, Ohio. (Foto Kredits erteilt von Keith Stoner, Executive Director of Marketing, Public Services & Creative Services, [email protected])
Bauzeit 2002-2004, Eröffnung 2004: Mansfield Senior High School, Mansfield, Ohio. Auftraggeber: Mansfield City Board of Education. Architect-of-Record: Norbert A. Peiker, FAIA. (Foto Kredit etailt von Matthew Teismann, President MKC Architects, [email protected])
Beratungen 2010 bis 2012: Baugutachten, Statische Analysen, Sanierungsplanung für den 47-geschossigen LeVeque Tower, Downtown Columbus. Leitender Architekt: Norbert A. Peiker, FAIA, mit Schooley Caldwell Architects und Turner Construction Management fuer Lawyers Development Corporation, Projekt spaeter Tower 10 genannt. (Foto Kredit: Norbert A. Peiker)
Gesellschaftliches Engagement – drei Beispiele
„Was wäre Architektur ohne Menschen und Bewohner? Ich habe immer an die Kunst, welche Architektur genannt wird, geglaubt. Zuerst sehe ich aber den Menschen und vernehme seinen Wunsch nach besseren Lebensverhältnissen und nach einem besseren Engagement der Gesellschaft. (Aus Peikers „Words of Wisdom“, vorgetragen im Jahr 1990 anlässlich der Graduierungsfeier der „Leadership Unlimited“-Klasse der Handelskammer des Bezirks Richland.)
Als Schüler am Gymnasium bei St. Stephan in Augsburg hatte Norbert Peiker einen blinden Klassenkameraden namens Dieter Renold. Dieser schrieb in Brailleschrift und legte seine Prüfungen ab, indem er diese auf einer uralten Schreibmaschine tippte. Diese eindrückliche Erfahrung, wie Menschen mit Behinderung ihr Leben meistern können, wurde Peikers Motivation, Bedürftigen zu helfen. Im Januar 1979 wurde er Mitglied im Lions Club Mansfield (Ohio), welcher sich in Sachen Seherhaltung engagiert. 1987 wurde Peiker zum Mitglied der „Ohio Lions Eye Research Foundation (OLERF)“ gewählt. Über die Jahre hinweg brachte er sich dort als Schatzmeister, Präsident und Executive Director ein und schließlich als Präsident-Emeritus. Um Norbert Peiker für seine unzähligen Stunden im Engagement für das Gemeinwohl zu ehren, wurde das Forschungsstipendium „Norbert Peiker Eye Research Fellowship“ für die Abteilung „Ophthalmology and Biomedical Engineering“ (Augenheilkunde und biomedizinische Technik) der Ohio State University gegründet. Das Volumen dieses Stipendiums beträgt 50.000 US-Dollar pro Jahr.
Norbert Peiker war seit 1990 im Vorstand der „Richland County Chamber of Commerce“, der Handelskammer des Bezirks Richland (Ohio), tätig und leitete die Organisation im Jahr 1998 als Vorsitzender. Seine Studien der lokalen Wirtschaft und Konjunktur zeigten, dass kleinere Geschäfte, Unternehmen und Betriebe eine äußerst positive Auswirkungen auf das Finanzbild und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bezirks Richland haben. Diese Erkenntnis inspirierte Peiker, mit dem „Small Business of the Year Award“ deren Leistungen auszuzeichnen. Im 25. Jahr dieser Prämierung wurden annähernd 100 kleine Geschäfte, Unternehmen und Betriebe für diese Auszeichnung nominiert.
Norbert Peikers anspruchsvollstes Engagement sollte der Verbesserung des interkulturellen Zusammenlebens dienen. Hierzu wurde gemeinsam mit Freiwilligen aus allen Kulturkreisen ein Denkmal errichtet. In Mansfields „Uptown Central Park“ befindet sich nun in Gedenken an Dr. Martin Luther King Jr. die gleichnamige Gedenkstätte. Am Parkeingang wurde zudem ein schwarzer Granitstein mit folgender Inschrift errichtet (Deutsche Übersetzung): „Dieses Denkmal, eingeweiht am 15. Juni 2007, ist das Ergebnis der visionären Bemühungen von Betty Palmer-Harris und einem Komitee aus verschiedenen Einzelpersonen, Unternehmen, Gewerkschaften und öffentlichen Einrichtungen unter dem gemeinsamen Vorsitz von Norbert und Barbara Peiker sowie Dr. James Harris und Betty Palmer-Harris“. Auf dem Granitstein werden auch die Entwurfsgedanken und die Materialauswahl des Bildhauers Dale Slavin erläutert.
American Institute of Architects, College of Fellows
(Fellowship: AIA Fellows are recognized with AIA highest membership honor for their exceptional work and contributions to architecture and society. — Architects who have made significant contributions to the profession and society and who exemplify architectural excellence can become a member of the College of Fellows. Only 3% of AIA members have this distinction. Over 90.000 Architects live and work in the USA.)
Freie Übersetzung: “Mitgliedschaft: AIA-Fellows werden für ihre außergewöhnliche Arbeit und ihren Beitrag zu Architektur und Gesellschaft mit der höchsten Mitgliedsauszeichnung des AIA ausgezeichnet. — Architekten, die einen bedeutenden Beitrag für ihren Berufsstand und für die Gesellschaft geleistet haben und die sich durch herausragende architektonische Arbeit auszeichnen, können Mitglied des College of Fellows werden. Nur 3% der AIA-Mitglieder erlangen diese Auszeichnung. Über 90.000 Architekten leben und arbeiten in den USA.”
Architekt Norbert A. Peiker, FAIA wurde im Mai 2002 in das AIA College of Fellows aufgenommen.
Nachfolgende Laudatio wurde dabei verlesen:
(“Mr. Norbert A. Peiker personifies public service at its very best and he provides a model for integrating the architecture profession with community involvement”)
Freie Übersetzung: „Herr Norbert A. Peiker verkörpert den Dienst für die Öffentlichkeit in seiner besten Form und ist ein Vorbild für die Verbindung des Architektenberufs mit dem Engagement für die Gesellschaft“